Königsberg – Kaliningrad – Kenig

Nach der Fahrt durch den Königsberger Seekanal bin ich nun also angekommen in Kaliningrad. Auf keinen Zielort dieser Reise war ich vorher gespannter oder habe ich mich mehr vorbereitet. Ich interessiere mich sehr für Geschichte und war vorher noch nie in Russland. Allein das mag schon die Anziehungskraftes dieses „Trümmerbrockens der Geschichte“ ausmachen. Es bietet sich mir hier eine sehr sehr abwechslungsreiche und geschichtsträchtige Stadt an, die im positiven Sinne ein Ort für den zweiten Blick ist.

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Der erste Blick war sehr ernüchternd. Während der Fahrt durch den Seekanal wurde die Bebauung, und gleichzeitig dazu der Verfall, immer dichter. Trug dieser am Anfang noch zu der herben Anziehungskraft des Gebietes bei, so war die Fahrt durch den Hafen echt einfach nur hässlich. Noch dazu kam, dass überhaupt nichts los war, auch nicht am Ufer. Ich mag solche Ankünfte in großen Städten einfach nicht so gern. Fühle mich dann immer wie in einer Geisterstadt. Der erste Eindruck der Marina Kaliningrad war dann auch nicht besser. Das soll der Stadthafen sein??. Ich fühlte mich eher wie auf einer zwielichtigen Hinterhofwerkstatt in Brooklyn. Was würde der Zoll sagen, wenn ich schon heute Abend wieder auf See gehen würde? Der Eindruck widerlegte sich aber rasch. Der Wachmann empfing mich sehr herzlich und sehr bemüht. Ich merkte, dass dieses komische Gelände zumindest sehr sicher ist und bekam den Eindruck, dass man hier einfach keine westlichen Standards erwarten durfte, dieser „Mangel“ aber auf der anderen Seite allemal ausgeglichen wird. Da der Hafen aber nur über ein Dixiklo und keine Duschen verfügte, suchte ich mir für die Erkundung der Stadt ein günstiges Hotel. Das war eine richtige Entscheidung. Sowohl ich als auch Nonsuch waren gut aufgehoben.

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So konnte also die Erkundung der Stadt beginnen. Und auch hier zeigten sich die Gegensätze ganz massiv. Kaliningrad ist keine klassisch schöne Stadt wie Danzig oder Wien. Hält für Besucher aber trotzdem so einiges bereit. Das alte Königsberg wurde im zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört und so dominiert sowjetische Architektur die Stadt. Die ist bekanntermaßen nicht immer die schönste. Doch heisst es auch immer, von Königsberg sei nichts mehr übrig und das stimmt so auch nicht. Entlang des Mira Prospekts und in den alten großbürlichen Vierteln Amalienhof und Mittelhufen stehen noch zahlreiche deutsche Altbauten. Natürlich nagt auch hier der Verfall, doch es ist nicht einmal viel Vorstellungskraft nötig, um sich auszumalen wie prächtig und schön diese Gegenden vor dem Krieg ausgesehen haben mögen. Interessant fand ich auch folgendes: Mir wurde berichtet, dass die alten deutschen Gebäude zu den begehrteren Wohnlagen in der Stadt gehören. Soweit so gut, hier spiegelt sich eben die Ambivalenz der Bewohner zu ihrer deutschen und russischen Geschichte wieder. Kurios fand ich aber folgendes: Wenn hier moderne, hochpreisige, Neubauten hochgezogen werden, passiert das in den einschlägigen Vierteln nicht in dem üblichen modern, kühlen Stil wie bei uns, sondern es wird versucht die Gebäude wie alte Gründerzeithäuser zu gestalten. Schaut echt schmuck aus!

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Abends habe ich dann auch mal die örtlichen Discos und Kneipen ausgekundschaftet. Vorher wartete allerdings noch ein Erlebnis der besonderen Art auf mich. Kein Verkehr auf der Straße, was ist denn hier los? Ich ging um die nächste Straßenecke auf den Lenin Prospekt und stieß auf mehrere Kompanien Soldaten und Panzer!! Was ist denn hier los??? Offenbar wurde hier eine Parade vorbereitet, und tatsächlich: Kurze Zeit später startete die Generalprobe der baltischen Flotte für die Parade zum Tag des Sieges am 9. Mai. Ca. 5000 Soldaten, Panzer, Raketenfahrzeuge, Lastwagen, alles dabei. Ich nehme alles zurück was ich gestern gesagt habe! 😉 Trotz der martialischen Anmutung war das echt ein imposant anzuschauendes Spektakel. Sowas habe ich vorher noch nie gesehen.

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Darauf ging ich dann erstmal vor der Kneipentour auf ein Bier in dem örtlichen Zötlerbräu Restaurant. Ja, ihr habt richtig gehört. Das war übrigens kein Verlegehenheitsbesuch ala „Wo gehen wir hin?  – Naja Mcdonalds, kennt man halt…“ sondern das Restaurant ist tatsächlich einer der Hotspots von Königsberg und Treffpunkt der deutschen Gemeinde. Sehr interessant…

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Mal zum Kulturellen: Ich habe 3 verschiedene Museen besucht. Auf meinem ersten Stadtrundgang verschlug es mich in den Lasch-Bunker. Von hier aus wurde im 2. Weltkrieg die Verteidigung der Stadt geleitet und später die Kapitulation ausgehandelt. heute befindet sich hier ein Museum. Nun mag manch einer sagen „Bitte nicht noch ein II. WK Museum!“, aber hier ist das etwas anderes. Kein anderes Ereignis seit der Gründung der Stadt vor ca. 760 Jahren war dermaßen einschneidend für die Königsberger, und so gehört ein Besuch hier wohl wirklich dazu. Das Museum ist auch weder voll mit sowjetischer Propaganda, noch so moralisch-anheimelnd wie viele deute Weltkriegsmuseen, sondern erzählt sehr nüchtern und anschaulich von Kampf und Leiden der Stadt und beleuchtet die Erlebnisse beider Seiten.

Heute zog es mich dann noch in das Museum im Friedländer Tor, ein weitgehend sich im Originalzustand befindliches Stadttor am Südende der Stadt. Hier wird die deutsche Geschichte der Stadt bis ca. 1930 erzählt. Es wird sehr interessant der Alltag in der Stadt und das alte Stadtbild multimedial erläutert. Sehr empfehlenswert! Und das Museumspersonal, freut sich tierisch über deutsche Besucher. Der Taxifahrer wusste übrigens so ungefähr nicht einmal mit der Adresse etwas anzufangen. Trotz Auflistung in allen Führern, scheint es sich hier also um einen  Geheimtip zu handeln! Überhaupt belohnt die Stadt es  sehr,  wenn man sich ein wenig von den Hauptstraßen lösen kann. Die Bevölkerung ist interessiert und man entdeckt Reste des alten Königsbergs. Danach durfte natürlich noch ein Besuch im Königsberger Dom mit der berühmten Orgel, dem Kantmuseum, und dem Grab Immanuel Kants nicht fehlen.

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Noch ein paar Worte zu der Bevölkerung. Diese ist sehr aufgeschlossen gegenüber Fremden  und interessiert sich witzigerweise sehr für die deutsche Geschichte ihrer Stadt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass mir die Heimatforscher im Friedländer Tor erklärten, dass man sich hier auch nicht als Russen, sondern als „Neupreußen“ fühle. Die Stadt hat durch ihre Geschichte der letzten 100 Jahre einfach eine ganz einmalige Story zu erzählen. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion war die deutsche Geschichte nämlich Tabu, was das Verlangen danach der Bevölkerung heutzutage nur noch gesteigert zu haben scheint. Auch nennen die meisten ihre Stadt einfach nur „Kenia“, russisch kurz für Königsberg, und nicht Kaliningrad. Es bleibt spannend zu sehen wie sich die Stadt entwickeln wird. Ich werde auf jeden Fall wieder vorbeikommen! Ich kann jedem Segler nur empfehlen hier einmal herzukommen. Es ist ein einmaliges Törnziel und die bürokratischen Hindernisse halten sich auch in Grenzen.

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Ich werde heute Abend in den Kaliningrader Yachtclub verlegen und dort noch einmal den Kontakt zu einheimischen Seglern suchen. Danach hoffe ich, dass sich ein Wetterfenster für den langen Schlag nach Klaipeda in Litauen öffnet!

Mehr Fotos werde ich später noch hochladen!

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