Früh geht es heute weiter. Obwohl unser Tagesziel Tönning nur etwa 3-4 Stunden entfernt liegt. Der Grund dafür ist ganz einfach und typisch Nordsee: Der Hafen von Tönning fällt trocken, und um sicherzugehen würde ich gern vor dem Hochwasser um 1200 dort ankommen. Vielleicht etwas übervorsichtig bei 3m Wasser im Hafen bei Hochwasser, doch gerade am Anfang weiss man ja nie was unterwegs so schief geht. Also geht es pünktlich zum Betriebsbeginn um 0730 zur Schleuse in Nordfeld. Und wie schon in Gieselau sollte diese Schleuse ein Tor zu einer ganz neuen Welt werden.
Sofort nach der Schleuse geht es nicht mehr durch die flußähnliche Binneneider, sondern durch ein waschechtes Nordsee-Tidenrevier: Die Tideneider. Nicht mehr Weiden und hohe Bäume säumen das Ufer, sondern hohe Schlickbänke, breite Schilfgürtel, Pricken, Seehunde, und Wattvogelkolonien. Umso spannender waren die ersten Meter. Obwohl die Navigation natürlich etwas komplizierter wird als in der Binneneider gibt es einfach so viel zu schauen und entdecken. Und dazu das vielleicht schönste an der Nordsee im Vergleich zur Ostsee: Die salzige Luft die schon gestern am Liegeplatz in Nordfeld die Vorfreude auf die kommenden Tage gesteigert hat. Da heute ein Feiertag (Himmelfahrt) ist mussten wir den Wärter der nächsten Brücke leider schon um 08:00 von süßen Träumen in die Rufbereitschaft „erlösen“. Während er einige Zeit später auf der Brücke zu seinem Häuschen schlurfte richtete er doch tatsächlich noch Gürtel und stopfte das Hemd in die Hose. Ups…
Für den weiteren Teil der Fahrt lasse ich einfach mal die Bilder sprechen. Die Tideneider ist einfach Nordseeromantik pur. Bereits weit vor Hochwasser erreichten wir den Hafen von Tönning. Ein verschlafenes Nordseestädtchen, welches seine Hochzeit schon vor einigen Hundert Jahren hatte. Und nun sollte der vielleicht spanndendste Teil des heutigen Tages folgen: Das erste Mal Trockenfallen auf dieser Reise. Denn davor haben die meisten Nordseeunerfahrenen wohl den meisten Respekt. Obwohl die Nonsuch ein Schwenkkieler ist, hat auch sie einen kleinen Stummelkiel der ein aufrechtes Liegen auf dem Rumpf fast unmöglich macht. Trotz des moderaten Tiefgangs geht es mir also nicht viel anders als den meisten Kielschiffen. Oft werden Befürchtungen geäußert, dass Welle, Kiel oder Saildrive durch das Trockenfallen im Hafen Schaden nehmen könnten. Dem ist aber überhaupt nicht so. Der Grund dafür ist, dass in praktisch allen Nordseehäfen die Oberfläche durch sehr weichen Schlick gebildet wird. Würde man versuchen darauf zu laufen würde man locker bis zur Hüfte einsinken. Dementsprechend sinken die Schiffe bei ablaufendem Wasser einfach in diesen Schlickboden ein und stehen dann meistens zwar steif aber völlig gerade. Man sollte nur darauf achten genug Lose in die Leinen zu geben, damit sich das Schiff bei sinkendem Wasserstand nicht regelrecht darin aufhängt. Und genau so problemlos erheben sich die Schiffe bei auflaufendem Wasser wieder aus dem Schlick. Der einzig begrenzende Faktor ist die Dicke der Schlickschicht, da darunter oft harter Sand liegt. In den meisten Häfen ist aber selbst ein einsinken mit einem Tiefgang bis zu 2m kein Problem. Ich kenne sogar eine moderne Hanse in einem Tidenhafen mit Saildrive und 2m Tiefgang, die jeden Tag zwei mal komplett einsinkt. Risiko ist also nicht wirklich vorhanden. Soweit zur Theorie.
Allerdings habe ich das zumindest mit der Nonsuch vorher noch nicht gemacht. Ein wenig Anspannung bleibt also. Doch gleich nach dem Anlegen wird mir ein Vorteil des Segelns nach der Tidenuhr bewusst: Oft wird dagegen angeführt, dass man sich nicht im Urlaub nach dem Zeitplan von Ebbe und Flut richten und früh aufstehen will. Auch heute ging es ja bereits vor 8 los. Doch nun sind wir bereits um halb 12 mittags fest, haben das Boot aufgeklart und der Uhrzeit entsprechend eine Anlegecola getrunken. Und nun steht uns noch der halbe Tag für die Erkundung von Tönning zur Verfügung. Vor allem für Getriebene wie mich, die oft erst um 1800 in den Hafen einlaufen und oft genug die Erkundung des Umfelds für mehr Zeit auf See eintauschen eine willkommene Abwechslung. Quasi Entschleunigung zwangsweise. Vielleicht wirklich mal ein anderes Konzept für einen Segelurlaub…
Nun geht es also in den Ort. Der Hafen selbst wurde bereits vor Jahrhunderten von den Dänen als Handelshafen angelegt und wird von einem riesigen backsteinernen Packhaus dominiert. Der Ort hingegen gruppiert sich um den Hafen – man liegt also quasi mitten in der Altstadt – und besteht aus vielen alten liebevoll gepflegten Stadthäusern. Ich mag solche traditionellen, gewachsenen Häfen immer ganz besonders. Heute ist von der Vergangenheit als Handelshafen aber nicht mehr zu spüren, Wie so oft dominiert der Tourismus und viele Restaurants warten auf Kundschaft. Normalerweise wäre der Stadtrundgang mangels Zeit jetzt zu Ende (siehe oben), aber heute haben wir ja genug davon. Nachdem wir uns also ein edles norddeutsches 2 Gänge Menü (siehe Bildergalerie) gegönnt haben, besuchen wir zur Einstimmung auf die Nordsee noch das örtliche Watt- und Nationalparkzentrum. Normalerweise sind diese für Küstenkinder eher langweilig, doch dieses ist wirklich liebevoll gemacht und besticht vor allem durch seine vielen Aquarien in denen sämtliche Fisch- und Getierarten der Nordsee, gruppiert nach Lebensraum, vorgeführt sind. Dazu gibts viel Wissenswertes über Natur und Technik. Selbst für zwei Mittzwanziger noch wirklich interessant. Und für Familien bestimmt erst Recht…
Zurück am Hafen zeigt sich dann, dass meine Vorsicht bezüglich der frühen Ankunftszeit nicht ganz unbegründet war. Die Einfahrt liegt fast trocken. Und auf halbem Wege zwischen Einfahrt und Liegeplätzen liegt ein kleines Segelboot hoch und trocken. Für ihn gehts wohl erst in ca. 3 Stunden zum bereits in Sichtweite liegenden Liegeplatz. Zum Glück hat er offenbar noch eine frische YACHT an Bord und liest gemütlich im Cockpit. Während wir dann so zum Boot schlendern spricht uns einer der Wirte der Hafenrestaurants an. Ob wir mit dem Segler da wären – Ja?! – und vor einer halben Stunde bei ihm einen Tisch reserviert gehabt hätten? – Nein?! .
Er würde nämlich schon warten. Leicht schmunzelnd zeigten wir auf den im Hafenbecken Festsitzenden. Der Wirt nahm es locker, ging hin, und klärte über Zurufen von der Kaikante ab, dass er den Tisch dann mal auf 2100 umbuchen würde. Unkompliziertheit ála Nordsee.
Anlässlich des heutigen Vatertags beschlossen wir den Tag dann mit einem zünftigen Grillfest am Steg. So stieg im Laufe des Abends dann nicht nur der Pegel des Hafenbeckens. Dennoch ging es anderntags früh weiter. Durch den Rest der Tideneider bis zum gigantischen in den 70ern errichteten Eidersperrwerk. Und ab da sollte die veränderliche Außeneider und die offene Nordsee beginnen. Es sollte in einem langen Schlag möglichst weit nach Norden gehen um anschließend Zeit für eine entspannte Rückreise über all die kleinen Nordseehäfen hätten. Als Wegzehrung nahmen wir uns im Tönninger Fischgeschäft noch 2 frische Brötchen und 2 große Pfeffermakrelen mit. Die sollten dann später noch mal eine Nebenrolle spielen…
- Gleich hinter der Schleuse Nordfeld beginnt die Tideeider.
- Ein komplett anderes Bild.
- Nicht einfach zu befahren, aber wildromantisch schön.
- Auch Seehunde leisten uns alle paar Minuten Gesellschaft und schauen wer ihnen ihr Revier streitig macht.
- Die vorletzte Brücke vor Friedrichsstadt.
- Die Eiderenten, welche ihren Namen vom Fluss haben.
- Auch auf der Eider steht häufig beträchtlicher Strom.
- Tönning kommt in Sicht.
- Kurz vor Hochwasser führt die Einfahrt fast 3m Wasser. Locker ausreichend.
- Das ist dieselbe Stelle allerdings 5 Std. später…
- Wir finden einen tollen Platz längsseits mitten in der Altstadt.
- Hier der Kiel der Nonsuch. Auch dieser wird im Schlick einsinken.
- Hafen Tönning.
- Das 300 Jahre alte Packhaus, welches den Hafen klar dominiert.
- Ein wirklich uriger Hafen.
- Nonsuch in Tönning.
- Heimatliebe.
- Ein wirklich edles Männermenü…
- …ist unser Mittagessen. Willkommen an der Nordsee.
- Bei Sturmflut herrscht hier keine Idylle mehr…
- „Süüüüüüüüüüüüüüüüß“ Würde meine Schwester jetzt sagen…
- Das Wattenmeerzentrum Tönning. Echt Empfehlenswert.
- Komisches Präparat für ein kinderfreundliches Museum…
- Alle Wattenmeerbewohner werden vorgestellt.
- Wenn du wüsstest wie gut du schmeckst….. Würdest du dich nicht so nah an die Scheibe trauen.
- Nationalparkzentrum.
- Auch die Hummer sind in der Nordsee, speziell um Helgoland herum heimisch.
- Mal gucken ob der Kollege Mundgeruch hat…
- Komische Werbung in Tönning.
- Tönninger Altstadt.
- Zurück im Hafen ist der Wasserstand schon weit abgefallen. In einer halben Stunde ist Niedrigwasser.
- Einer steckt in der Einfahrt fest.
- Nonsuch ist schon eingesunken, liegt aber problemlos und aufrecht.
- Trockenfallen? Gar kein Problem.
- Zünftiges Vatertagsgrillen.
- Auf Wiedersehen Tönning, wir kommen bestimmt wieder!
- Eidersperrwerk.
- Ab hier wird die Landschaft rauer.
- Es geht raus auf die Nordsee.