Der nächste Schlag sollte ganz besonders spannend werden. Zwischen dem walisischen Festland und der Insel Anglesey gibt es eine schmale Meeresstraße – die Menai Strait. Der große Lord Nelson bezeichnete diesen Weg einmal als die gefährlichste Schifffahrtsstraße der Welt. Grund dafür sind die besonderen Tidebedingungen hier, und eine enge Durchfahrt namens „The Swellies“. Klingt irgendwie schon nach Schwell und Ungemach….
Zum einen strömt das Wasser hier bei Flut durch die enge Meeresstraße recht kräftig. Bis zu 8kn Strom sind streckenweise drin. Klar, da sollte man nicht zur falschen Zeit aufkreuzen (im wahrsten Sinne des Wortes). Dazu kommt noch, dass es hier eigentlich 4 Gezeiten pro 12 Stunden gibt. Zunächst läuft die Flut aus der Irischen See aus Süden auf. Sobald sich die Flutwelle jedoch den Weg außen um Anglesey gebahnt hat, läuft sie auf einmal von Norden in die Straße ein! Etwas Ähnliches passiert dann bei ablaufendem Wasser auch noch mal. Stillwasser ist demnach auch nicht genau bei Hochwasser, sondern schon 2 Stunden vorher. Die einzige Zeit zu der The Swellies sicher zu passieren sind. Klar soweit? 😉
Zum Glück haben sich die Zeiten seit Nelson ein wenig geändert. Mit moderner Navigation, Motor, und genauen Tidendaten lässt sich das ganze hoffentlich managen und so suche ich mir einen schönen ruhigen Sommertag für dieses kleine Abenteuer aus. Früh um 6 geht es los. Die Kombination aus den Öffnungszeiten des Tores und des Passagezeitpunktes lassen keine andere Abfahrtszeit zu. Dafür kann ich mich im Eingang zur Menai Strait dann schon nach wenigen Meilen noch einige Stunden vor Anker legen. Die Snowdonian Mountains hinter mir, eine kleine Vogelinsel und einen mächtigen Leuchtturm vor mir. Alle paar Minuten schlägt dessen altertümliches Nebelsignal, eine große Glocke trotz der guten Sicht wie ein Kirchturm. Es ist fast windstill und so sitze ich im Cockpit, genieße die Szenerie und warte bis es weitergeht.
Um Punkt 12 geht es dann Anker auf und entlang der Menai Strait Richtung Süden. Ein leichter Strom schiebt mich schon. Vorbei an kleinen Dörfern und der Universitätsstadt Bangor geht es durch einen typisch britischen Fluß mit Seebrücken und Moorings allerorten auf die mächtige Menai Bridge zu. Gebaut übrigens von demselben Ingenieur wie Caledonian und Göta Kanal. So langsam habe ich das Gefühl der Typ hat halb Großbritannien zusammengezimmert…
Kurz vor der Brücke müsste sich dann zeigen, ob ich zum richtigen Zeitpunkt da bin. Auf einmal kommt der Strom dann mit etwa 2kn wieder von vorne. Ich bin also etwas zu früh. Kein Problem, denn ein leichter Strom von vorne ist hier leichter zu beherrschen als wenn ich zu spät komme und mich nur 30 Minuten späer 6kn von hinten schieben würden. Unglaublich aufregend ist das hier alles… In nur wenigen Metern Abstand geht es an den überspülten Felsen und dem Land vorbei. Nach nur etwa einer halben Meile, an der nächsten Brücke, ist das ganze Spektakel dann auch schon vorüber. So problemlos das Ganze jetzt zum richtigen Zeitpunkt ablief, so unpassierbar muss diese Stelle nur wenige Stunden später sein…
Der weitere Weg durch die Menai Strait verläuft dann ruhig und angenehm. An mir ziehen ein palastartiges Herrenhaus und mehrere Wälder vorbei. Irgendwie erinnert mich die Szenerie ein wenig an die heimische Schlei. Zwar macht sich bei mir kein Heimweh breit, aber ich finde es doch interessant wie ein Seglerherz trotz aller Entdeckerlust in fernen Ländern immer wieder an sein Heimatrevier denkt.
Vor mir liegt nun das kleine Städtchen Caernarfon. Ich habe Glück und komme genau zu Hochwasser an, das Hafentor ist geöffnet. Der Hafenmeister kommt zum Steg, nimmt die Leinen an, und weist mir einen Liegeplatz direkt unter der alten Stadtmauer zu. Super nette Leute hier…
Das hiesige Schloss ist gleich am ersten Nachmittag fällig. Wieder von Edward I zur Kontrolle der Waliser errichtet, ist es für bis heute für die britische Monarchie sehr wichtig: Nach Edwards Sieg über die Waliser werden hier seit jeher die britischen Thronfolger zum Prince of Wales gekrönt. So lernt man jeden Tag was dazu… Im Pub freunde ich mich dann noch mit einigen lokalen Seglern an. Auf das höfliche Touristenlob, was für eine schöne Burg sie hier ja haben, lachen sie nur, und meinen, dass eine walisische viel besser als der englische Klotz wäre. Mal wieder scheinen mir die Waliser unabhängiger und kulturell eigenständig zu sein…
Caernarfon ist wirklich ein nettes kleines Städtchen. Neben alten Steinen gibt es hier auch alles was man so als Segler braucht. Doch nun sollte es richtig dicke kommen. Ich war darauf vorbereitet hier einen Tag abzuwarten um ein kleineres Tief abzuwarten, doch wieder einmal änderte sich die Wettervorhersage um 180°. Ein Tief nach dem nächsten zog über Caernarfon hinweg. Ganze 8 Tage sollte ich am Ende hierbleiben müssen während derer der Wind nie unter 20kn fiel. Keine Chance die Menai Strait gen Westen, voll gegenan, zu verlassen. Und das ganze Mitte August. Zwar hatte ich es im Hafen sicher und angenehm, doch das ganze schlug mir zusehends auf die Stimmung. So langsam sah ich meine weitere Törnplanung, die ohnehin wegen des unberechenbaren Wetters nur sehr grob war, den Bach hinuntergehen. Vielleicht mag es lächerlich klingen, doch während dieser Tage mache ich mir ernsthaft Gedanken, ob ich es vor dem richtigen Herbst/Winter noch wieder nach hause schaffe. Vielleicht verdeutlicht das ein wenig, warum das Segeln in dieser Gegend selbst bei einem Hafentag äußerst anstrengend ist. Zumindest im Kopf.
Trotz allem Gram kann ich das Wetter aber nicht ändern, sitze mit einem Whisky und den Erinnerungen an die kurzen Sommerausbrüche in Schottland unter Deck und horche dem Pfeifen des Windes im Rigg. Hoffentlich ist bald wieder Frühling…
- Früh morgens geht es in Conwy los…
- Der Leuchtturm am Eingang der Menai Strait wirkt auf mich irgendwie bedrohlich.
- Gleich dahinter ankere ich erstmal die Tide bis zum perfekten Abfahrtszeitpunkt aus. In Conwy bleiben ging wegen der trocken fallenden Zufahrt nicht.
- An meinem Ankerplatz liegt ein altes Wrack…
- Als es weiter geht ist es fast komplett von Wasser bedeckt. So groß ist der Tidenhub hier…
- Die Snowdonian Mountains geben eine tolle Kulisse ab.
- Der Anfang der Passage ist noch unspannend…
- Spätestens ab der Menai Bridge gehts aber rund.
- Wenn man zur richtigen Zeit hier ankommt sehen die „Swellies“ recht harmlos aus. Trotzdem fließt der Wasser rasend schnell.
- Nur wenige Meter vom Ufer entfernt…
- …und die Felsen gleich auf der andereren Seite. Hier will ich nicht bei 8kn Strom sein.
- Aufregender als das Bild es vermuten lässt…
- Ja lieber Nelson, heute scheint das ganze nicht mehr ganz so schlimm zu sein. Das mag zu deiner Zeit ohne Motoren aber wohl anders gewesen sein…
- Hinter der Brittania Bridge wird es wieder entspannter.
- Witzig: Die Bäume markieren hier die Hochwasserlinie.q
- Passage „The Swellies“
- Auf zum Stadtrundgang durch Caernarfon.
- Die Burg gilt auch heute noch als Heimat der Prince of Wales
- Auch der Herr mit den großen Ohren wurde hier gekrönt.
- Vom höchsten Turm hat man einen herrlichen Ausblick über Hafen und Altstadt…
- …den alten Hafen…
- …bis hin zur Barre von Caernarfon. Noch ahnte ich nicht wie lange es dauern würde bis ich da durch fahre.
- Auch das Städtchen ist ganz ansehnlich…
- …auch wenn die politische Korrektheit hier noch einige Jahre hinterherhinkt…
- Daran, dass Caernarfon walisisch und nicht englisch ist, besteht hier kein Zweifel.
- Caernarfon.
- Leider wurde das Wetter zusehends schlechter…
- …also einmurmeln im Schiff, und auf den nächsten kurzen Frühjahrsausbruch in Wales warten.
Für 8 Tage Hafen schreibst du aber ziemlich langsam, das war vor 3 Jahren noch besser ;).
Über Marine Traffic sieht man ja gut, dass du deiner Blog-Zeit voraus bist. Ich bin echt schwer beeindruckt, was du auf die Beine stellst und berichte P immer neidisch davon.
Für uns geht es ja in 2 Wochen an die Überführung nach Zeeland, mein erstes Mal mit Gezeiten aber natürlich harmloser. (Schöner Wortwitz übrigens!).
Sieht man sich zufällig Ende September zwischen Zee- und Helgoland?
Jau, es nimmt einfach viel Zeit in Anspruch wenn man mehr als einen bloßen Logbuchauszug zu lesen bieten will. 😉
Das könnte übrigens passen! Vorausgesetzt das Wetter spielt mit.