Gefühlt hatten wir uns in Weymouth kaum schlafen gelegt, als der Wecker schon wieder klingelte. Einen wettertechnisch brauchbaren Tag sollte es noch geben und da Papa morgen wieder fahren muss wäre es doch toll, wenn wir es vorher noch in die Welthauptstadt des Segelns, nach Cowes im Solent, schaffen würden. So ging es bereits vor Sonnenaufgang wieder raus auf See.
Erster Prüfstein des Tages ist das Kap St. Albans Head. Ich versuche mich das erste Mal an einer Inshore Passage. Die Overfalls, die die Ströme rund um das Kap produzieren, reichen oft mehrere Meilen weit raus. Wegen der knappen Zeit würde ich solche Umwege heute gerne vermeiden. Bei moderaten Bedingungen gibt es nämlich noch eine zweite Möglichkeit: Ganz dicht unter Land, also nur so etwa 100m unter dem Kap, finden sich meist auch keine Overfalls. Und so gucke ich pausenlos auf die 150m hohen Klippen die nur wenige Meter von Nonsuch entfernt in den Himmel ragen während es mit über 10kn über Grund vorwärts geht. Ein Erlebnis der besonderen Art. Als ich im Kopf noch denke wie aufregend das war, blicke ich nach Steuerbord und sehe die tobenden Overfalls in nur wenigen hundert Metern Entfernung. Es ist wirklich irre was hier selbst bei guten Bedinungen abgeht. Die Ströme sind gar nicht viel schneller als in der Elbe oder so, aber die Bedingungen, die sie verursachen sind echt irre.
Auch als wir die vielleicht bekannteste Landmarke der englischen Südküste, die Needles im Westen der Isle of Wight, passieren, müssen wir wieder durch so ein Stromtor. Auch hier hat man das Gefühl, das Meer würde sich in einem kochenden Top Nudelwasser befinden. Obwohl wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, wird Nonsuch kräftig durchgeschüttelt. Doch nur wenige hundert Meter weiter sind wir wie in einer anderen Welt. Wir sind im Solent angekommen. Dieser geschützte Meeresarm zwischen dem Festland und der Isle of Wight ist das Segelrevier Nummer 1 in Großbritannien. Und nebenbei auch eigentliche Heimat des Segelns zu Vergnügungszwecken. Warum hier viel gesegelt wird verstehe ich sofort. Nachdem wir die Barren des Needles Channel hinter uns gelassen haben, ist das Meer auf einmal ruhig wie auf der Schlei. Keine 1,5m Hintergrundseegang tagein tagaus wie in den letzten Wochen. Einfach geschütztes Segeln ohne viel Welle. Wie entspannend nach den letzten paar hundert Meilen!
Landschaftlich habe ich mir den Solent aber spektakulärer vorgestellt: Nach den imposanten Küstenformen der letzten Tage mit Klippen und Kaps wirken die flachen Wälder und Spuren von Industrie eher wie die Elbe bei Hamburg. Aber naja… liegt wohl an meiner Reizüberflutung der letzten Monate…
Kurze Zeit später sind wie angekommen in der Segelstadt schlechthin. Cowes auf der Isle of Wight. Heimat der Cowes Week, des Fastnet Race, und der Royal Yacht Squadron, dem königlichen Segelclub Englands. Hier wird schon seit mehreren hundert Jahren um die Wette gesegelt. Der Cowes Yacht Haven ist fast den ganzen Sommer von einer Regatta nach der anderen belegt. Doch nun, im September, findet auch die Nonsuch, das vielleicht langsamste Schiff der Welt einen Platz. Und für mich ist ein weiterer Meilenstein erreicht. Hier mit dem eigenen Schiff mal anzulegen ist ein echter Traum.
Die Szenerie hört aber nicht hinter dem Hafen auf. Am River Medina reiht sich eine Yachtwerft an die nächste. Doch das wirklich besondere ist wohl der kleine Ort Cowes selbst. Gefühlt jeder zweite läuft hier nämlich mit Segelklamotten rum. Ich habe noch nie so viele lederne Seestiefel in einer Stadt auf einem Haufen gesehen. Dazu gibt es gefühlt alle 150m einen Chandler oder Yachtclub. Noch nie habe ich einen Ort gesehen, dessen ganze Identität nur aus Segeln zu bestehen scheint. Wobei das echte Highlight erst ganz am Ende der High Street kommt: Die Royal Yacht Squadron selbst, mit ihrem erhabenen privaten Clubhaus und den polierten Startkanonen mit Blick auf den Solent. Hier ist Segeln.
Am Abend bevor Papa mich verlässt haben wir natürlich noch ein Abschiedsdinner im Pub. Und selbst im Pub scheint die ganze Deko aus Regattadevotionalien der letzten Jahrzehnte zu bestehen. Gab es bisher zwar in den Häfen oft auch Seemannspubs die mit allerlei maritimem wie Knotenbrettern, alten Positionslampen und solchem Kram dekoriert waren, ist das hier ein echter Seglerpub. An den Wänden hängen Plakate von Regatten in aller Welt, Yacht-Halbmodelle und Bilder der siegreichen Boote der letzten Jahre. Cowes lebt Segeln.
Nachdem ich Papa am nächsten Tag zur Fähre gebracht habe und zum Hafen zurück schlendere, entdecke ich dann noch eine Sache die du so nur in Cowes zu sehen bekommst: Schon seit gestern fand eine Regatta in Cowes statt. Nachmittags lief die Flotte von Einheitsklassenbooten wieder ein. Segel wurden über den Steg geschleppt, es wurde zur Dusche gegangen, Anleger getrunken und gefachsimpelt. Wie Segler eben so sind. Eine Stunde später hatten sich aber alle für die Siegerehrung schick gemacht. Und so saßen die harten Segler, eben noch in Ölhosen und Lederstiefeln, jetzt mit einer Dose Bier in der Hand im Smoking im Cockpit und warteten auf den Rest der Crew. Englischer und gediegener kann eine Regatta wohl nicht ablaufen.
Cowes ist also nicht nur ein großer Name, sondern scheint tatsächlich eine kleine Hauptstadt des Segelns zu sein. Und so stört es mich auch kaum, dass ich mal wieder schlechtes Wetter abwarten muss bevor es weiter geht. Wenn selbst die großen Regattasegler ihre letzte Wettfahrt abblasen, hab ich da draußen auch nix zu suchen. Also sauge ich lieber noch ein wenig von der Stimmung hier auf bevor es allein weiter entlang der Küste geht.
- Früh Morgens geht es in RIchtung Solent.
- St. Albans Head passieren wir in nur etwa 100m Abstand zum Ufer.
- Wenigstens sorgen die Ströme für schnelles Vorankommen.
- Weiter draußen tobt der Wahnsinn.
- Weiter in Richtung Osten…
- Die Needles kommen in Sicht. Auf den ersten Blick wirken sie fast unspektakulär…
- Ein ganz merkwürdiger Anblick. Wie der Rücken eines Seeungeheuers.
- The Needles.
- Erst im Profil kommen die Needles so richtig zur Geltung.
- Dafür baut der Strom…
- …wieder eine völlige Gaga-See auf.
- Wahnsinn.
- Angekommen im Solent. Auf einmal ist es friedlich…
- …und die verschiedensten Segler passieren uns.
- Die Royal Yacht Squadron bewach den Eingang nach Cowes.
- Werften über Werften.
- Schon am Ufer hat hier einfach alles mit Booten zu tun.
- Nonsuch in Cowes – The Home of Sailing.
- Ein weiteres Traumziel ist erreicht.
- Tagsüber, wenn die großen Boote draußen racen ist es ruhig im Hafen.
- An jeder freien Ecke stehen im Hafen Rennsemmeln rum.
- Gefühlt jeder zweite auf der Straße läuft irgendwie in Segelklamotten rum.
- Und auch im Ort ist an jeder Ecke…
- …ein Yachtclub…
- …oder ein weltberühmte Yachtfotograf.
- …oder ein Chandler zu entdecken.
- Die Pubs wirken wie Clubhäuser der Segler.
- Cowes.
- Ähm….ja….
- Selbst die Eisdiele wirbt um Segler…
- Solche Bilder kann es wohl nur hier geben.
- Kein Zutritt für Touristen.
- Die Royal Yacht Squadron darf als einziger Yachtclub das White Ensign, die britische Kriegsflagge als Nationale führen.
- Cowes. Eine echte Legende.
- Achtung!
- Die Startkanonen für die wirklich wichtigen Regatten.
- Die Royal Yacht Squadron versprüht dagegen edles Ambiente.
- In Cowes lässt es sich aushalten.
- Hier lassen wir es uns abends doch besonders gut gehen.
Zum Thema Smoking auf der Segelyacht :
Asterix würde sagen:
„Die spinnen die Britten“